Digital Health-Geschäftsmodelle
Im Spannungsfeld zwischen Patientennutzen, regulatorischen Hürden und Kassenzulassung
Digital Health gilt als das Thema der Stunde, um unserem reformbedürftigenGesundheitswesen auf die Sprünge zu helfen. Ein besonders relevantes Segment ist dabei die Telemedizin, der ein immer größeres wirtschaftliches Potenzial zugeschrieben wird.
Und die aktuelle Corona-Pandemie tut ihr Übriges dazu, die Wachstumsraten von Telemedizinangeboten nahezu explodieren zu lassen. Diese stehen jedoch im ewigen Spannungsfeld von Patientennutzen und regulatorischen Hürden.
Die aktuellen Probleme im Gesundheitssystem lassen sich als Dreigestirn aus demografischem Wandel, medizinischer Unterversorgung in ländlichen Regionen und Kostendruck seitens der Krankenkassen beschreiben. Am Beispiel der Dermatologie wird dies besonders deutlich: Die Wartezeit auf einen Termin bei einem Hautfacharzt beträgt im Bundesdurchschnitt 38 Tage – verständlich, wenn jährlich 33 Millionen Haut-Patienten auf lediglich nur etwa 5.000 Hautärzte treffen. Die traurige Konsequenz: Hauterkrankungenverschlechtern sich, wenn sie nicht zeitnah behandelt werden, was zu einem höheren Leidensdruck für Patienten, aber in der Folge auch zu deutlich höheren Behandlungskostenführt.
Dennoch bestehen nach wie vor Berührungsängste gegenüber „digitalen“ Therapie- und Behandlungsmethoden, und zwar sowohl aus Arzt- als auch aus Patientensicht. So empfinden gerade niedergelassene Ärzte die Telemedizin nicht selten als Konkurrenz und fühlen sich bei „Distanz-Behandlungen“ zu sehr auf die Funktion eines Leistungserbringers reduziert, was als massive Beeinträchtigung des Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient gewertet wird. Zudem richten sich die Vorbehalte auch auf die Patientensicherheit hinsichtlich der medizinischen Qualitätssicherung und des Datenschutzes. Dieser hat und muss gerade bei sensiblen Gesundheitsdaten einen hohen Stellenwert haben, jedoch werden dadurch die Markteintrittsbarrieren für junge Unternehmen mitunter extrem erhöht und dadurch so manche Innovation erschwert oder gar verhindert.
Und hier kommen die Krankenversicherungen ins Spiel. Sie fordern eine kosteneffiziente Behandlung und greifen somit aus wirtschaftlicher Sicht in einen medizinischen Prozess ein. Dabei spielt der Staat eine zentrale Rolle, denn durch die Bestimmungen des Sozialgesetzbuches legt er verbindliche Rahmenbedingungen und Möglichkeiten der Finanzierung für die Krankenversicherungen fest. So wichtig das zur Sicherstellung unserer medizinischen Grundversorgung ist, so lähmend wirkt die Regulierung auf die Umsetzung neuer Technologien und Therapien.
Wenn auch mit angezogener Handbremse, hat sich im Bereich Digital Health in den letzten Jahren trotzdem einiges getan. Hier teilt sich das Feld der Anbieter in zwei große Gruppen: Die Produktentwickler und die Prozessoptimierer. Erstere setzen auf intelligente Technik für Patienten, die die medizinische Leistung des Arztes unterstützt, ergänzt oder übernimmt, wie z.B. smarte Uhren mit Herzfrequenzmessung oder Apps zur Unterstützung von Gewichtsabnahme. Hingegen fokussiert die andere Gruppe die Verbesserung von Prozessen im Gesundheitssystem. Dazu gehören auch die Telemedizin-Anbieter, die die Arzt-Patienten-Kommunikation optimieren.
So paradox es klingt: Gerade die Corona-Pandemie ist ein Segen für den Digital Health Sektor. Der dadurch entstandene Innovationsdruck führt zu einer Anpassung der regulatorischen Bedingungen seitens des Gesetzgebers sowie zu einer steigenden Akzeptanz bei den Ärzten und Patienten. Es ist ähnlich zu dem aktuell gängigen Home-Office Dauerzustand: vor einem Jahr undenkbar, nun von allen Seiten gelebte Realität. Genau diese Potenziale und Wachstumschancen sind es, die den digitalen Gesundheitsmarkt in Deutschland bis zum Jahr 2025 auf 38 Milliarden Euro wachsen lassen werden.
Dieser Beitrag erscheint in Kooperation mit dem VC-Magazin.