Die Balance zwischen Online und Offline
Unter der Überschrift „Offline. Ein Fremdwort.“ hat Dr. Peter Güllmann, Chef des Beteiligungsbereichs der NRW.Bank in der Ausgabe 1/2-2016 des Venture Capital Magazins eine Kolumne geschrieben, die mir nur so aus dem Herzen spricht. Von der Generation Facedown ist da die Rede, die jene Zeitgenossen beschreibt, die nur noch mit gesenktem Kopf und starrem Blick auf ihr Smartphone durch die Gegend rennen. Und die zumeist auch im Privatleben nicht davon ablassen. Bei denen Kommunikation in Bits und mit Smiley-Symbolen stattfindet anstelle einer menschlichen Begegnung.
Das ist bedenklich.
Ich empfinde es als bedenklich, wenn wir uns im Wesentlichen nur noch auf den digitalen Dialog reduzieren und uns zum Sklaven unserer Mobile Devices machen. Ich weiß, die digitalen Errungenschaften stiften uns eine Menge Nutzen und auch ich freue mich z.B. über die Erleichterung von Terminorganisationen via Doodle oder die Möglichkeit, ein seltenes Ersatzteil für meinen alten Peugeot bei einem Anbieter in der Provence zu finden, der mir über ein Internetforum vermittelt wurde. Die digitalen Lösungen sind hier für mich ideale Werkzeuge, die mir das Leben leichter machen.
Aber warum in aller Welt muss man sein Werkzeug ständig am Mann tragen? Haben wir Angst etwas zu verpassen oder zu verlieren, wenn wir nicht unverzüglich auf alles reagieren, was uns – zumeist ungefragt – auf einem unserer digitalen Kanäle erreicht? Inzwischen ist es ja sogar schon gang und gäbe, dass ich um die Aufmerksamkeit eines Gesprächspartners mit dessen Smartphone oder Tablet konkurriere. Da können unsere Multitasking-Fähigkeiten noch so groß sein, aber wer mehr als eine Sache gleichzeitig tut, muss seine Konzentration aufteilen.
Und genau hier liegt der Hase im Pfeffer:
Was will denn da bitte an Gesprächs- und Beziehungsqualität entstehen, wo ich nur mit einem Ohr und/oder Auge bei der Sache bin?
Gerade in der menschlichen Begegnung sollte ungeteilte Aufmerksamkeit eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Nicht nur, weil es allein schon eine Frage der Höflichkeit wäre, sondern umso mehr, damit wir unsere fünf Sinne, mit denen uns Mutter Natur ausgestattet hat, effektiv zum Einsatz bringen können.
Um also sämtliche von unserem Gegenüber gesandten Botschaften vollständig wahrnehmen zu können. Dazu gehört eben nicht nur das gesprochene Wort, sondern gleichermaßen Mimik und Gestik, die uns gewissermaßen auch zwischen den Zeilen lesen lassen und einen Dialog erst richtig mit Tiefgang versehen.
Eine intensive Begegnung bedeutet insofern nicht nur reden, sondern vor allem dass man zuhört.
Das gilt für Familie, Freunde und Beruf gleichermaßen. Nur wenn mein Gesprächspartner spürt, dass er meine volle Aufmerksamkeit hat, wird er sich mir wirklich offenbaren. Genau hieraus entsteht Vertrauen als wichtigste Voraussetzung für gelingende Beziehung und damit für Erfolg. Und zwar im privaten wie im geschäftlichen Miteinander. Das gilt für ältere Semester ebenso wie für die Generation iPhone.
Womit wir wieder bei Peter Güllmann und seiner Kolumne wären.
In dieser fordert er uns auf, in gewissen Situationen WLAN und Handy einfach mal auszuschalten und uns den Menschen um uns herum zu widmen. Diesem Appell schließe ich mich gerne und mit vollem Herzen an, denn wer immer online ist, verpasst zwar keine „likes“ und „posts“, allerdings möglicherweise sein eigenes Leben!
(Bild: Creative Commons BY-SA 3.0 Maik Meid, Titelbild: CC0)
Lieber Wolfgang,
das ist ein sehr guter und wichtiger Beitrag!
Tatsächlich stellt die Digitalisierung unseres Lebens und unserer Arbeitswelt so manchen vor größere Probleme. Besonders das Smartphone scheint vielen Leuten Unbehagen zu bereiten. Offenbar besonders jenen, die in der digitalen Welt noch nicht vollständig angekommen sind. Leute die glauben up-to-date zu sein, weil sie unterwegs – wenn auch widerwillig – die E-Mails checken, von der Tochter per WhatsApp angeschrieben werden und, Gipfel der Digitalisierung, mit dem Smartphone am Flughafen einchecken.
Gleichzeitig wird die Abhängigkeit vom Smartphone bedauert. Die Wirklichkeit aber ist, dass das Smartphone mittlerweile dermaßen viele Geräte ersetzt und so viele Dienstleistungen mobil verfügbar macht, dass beim nicht- und halbdigitalen Teil der Bevölkerung der Eindruck einer Smartphone-Sucht entsteht. Tatsächlich haben sich aber lediglich viele Tätigkeiten, berufliche und private, auf das Smartphone verlagert. Es ist unsere Kommunikationszentrale, vom herkömmlichen Telefongespräch über den Chat und E-Mail bis hin zu sozialen Netzwerken. Dazu kommt das Smartphone als Buch- und Zeitungsersatz. Es ist dank Google & Co. Nachschlagewerk, PC-Ersatz und Wetterdienst. Es ersetzt Uhr, Kamera und Navi. Mit den entsprechenden Apps außerdem den Fitnesstrainer, Diät-Coach und manchmal sogar das Fahrtenbuch, den Geldbeutel und den Gesundheitspass.
Was aber offenbar viele noch nicht mitbekommen haben ist, dass sich jedes Smartphone auch in den Ruhezustand versetzen oder mit einem kleinen Knopf am Rand auch vollständig ausschalten lässt. Jeder kann ständig online sein, aber niemand muss es! Man muss einfach nur den Willen und Mut zum Abschalten haben. Zum Schluss hätte ich dann noch einen persönlichen Tipp: Apps zum „Abschalten“ gibt es wie Sand am Meer. Zum Beispiel die so genannte Offtime-App (http://offtime.co/de/).
Schöne Grüße
Sven