Vom Mut zur Wut: Das Ansehen von Venture Capital
Vom Mut zur Wut, oder: Gut Ding will Weile haben
Eine Standortbestimmung über die Entwicklung und das Ansehen der VC-Branche in Deutschland
Eigentlich ist es eine Binsenweisheit: wer sich auf unergründetes Terrain begibt, macht sich auf einen unsicheren Weg. Unsicher deshalb, weil man nicht weiß, was einen alles erwartet und was im einzelnen hinter der einen oder anderen Wegbiegung lauert.Neben möglichen Gefahren beinhaltet die Entdeckung von Neuem gleichermaßen aber auch immer eine große Chance auf Veränderung bzw. oftmals auch auf Verbesserung. So zeigt es unsere Geschichte. Hätten nicht viele beherzte Forscher, Wissenschaftler, Erfinder und Genies irgendwann einmal den Sprung ins kalte Wasser gewagt, würden wir nicht dort stehen, wo wir heute sind. Für Deutschland gilt dies umso mehr, haben wir uns doch seit Jahrzehnten als Innovationsstandort einen der vordersten Plätze in der Weltrangliste gesichert.
Venture Capital: Wo gehobelt wird, fallen Späne.
Dass jedoch auch Späne fallen, wo gehobelt wird, ist gleichermaßen eine Binsenweisheit. Und letztlich sind es genau die Schnitzer, Fehltritte und sonstigen Flops oder Ausrutscher, die einem die Grenzen des Machbaren aufzeigen und damit jedoch auch den maximalen Handlungsrahmen in der Ausschöpfung der Möglichkeiten für etwas Neues definieren. Auch mit noch so guten und detaillierten Plänen kommt man in innovativen Prozessen also nicht umhin, im Zweifel zwei Schritte nach vorne und einen zurück machen zu müssen. Nicht selten ist sogar auch ein komplettes Reset im Sinne von „Gehe zurück auf Los“ erforderlich. So war es immer und so wird es immer bleiben – die dritte Binsenweisheit!
Private Equity und Venture Capital ist eine in Deutschland noch sehr junge Branche und hat eigentlich so richtig erst vor etwa 20 Jahren begonnen, den hiesigen Markt für sich zu erschließen. Insofern wurde diesbezüglich bei uns auch Neuland betreten. Wenngleich es Vorbilder bzw. Maßstäbe insbesondere aus dem angloamerikanischen Raum gab, musste für die Entwicklung dieses hierzulande seinerzeit neuen Geschäfts vieles ausprobiert, wieder verworfen und schließlich mit anderen, neuen Ansätzen nochmals probiert werden. Auch hier waren diverse Korrekturen erforderlich, bis sich unsere „Industrie“ mit ihren heutigen Usancen annähernd etabliert hat.
Der Vorgang ist gleichwohl noch längst nicht abgeschlossen, wie uns insbesondere im Bereich der Frühphasenfinanzierung ein noch erheblich stotternder Motor im Sinne einer unverändert unzureichenden Kapitalverfügbarkeit immer wieder belegt. Und dennoch geht es auch hier mit zwar kleinen Schritten, aber dennoch beständig voran. So entdecken zum Beispiel immer mehr ausländische Investoren den deutschen Markt als attraktives Anlagegebiet. Ferner ist ein Anstieg der Aktivitäten deutscher Business Angels zu beobachten und es beginnt sich hier eine recht lebhafte und zunehmend organisierte Szene zu formieren. Zudem versuchen sich Crowdfunding und Crowdinvesting als zusätzliche Finanzierungsalternative konsequent Ihren Weg in die VC-Szene zu bahnen. Und schließlich sei auf die diversen Bundes- und Landesinitiativen hingewiesen, mit denen die Finanzierung von Start Ups unterstützt wird.
Eine ganz wesentliche Rolle spielt hier gerade das Land NRW, das über die NRW.BANK seit 2007 im Rahmen der Seed.Fonds.Initative inzwischen zehn regionale Frühphasenfonds mit einem Gesamtvolumen von gut 110 Mio. EUR aus der Taufe gehoben hat. Die initiierten Fonds haben den Charakter von Privatfonds und werden durch professionelle, renditeorientierte Fondsmanager verwaltet. Bis heute konnten rund 80 Unternehmensgründungen finanziert werden. All das sind Entwicklungen, die berechtigterweise Hoffnung und Zuversicht aufkommen lassen dürfen, dass sich in unserem Land zwar langsam, aber dennoch sicher eine Venture Capital-Kultur mit einem irgendwann auch funktionierendem Markt etablieren wird.
Tue also Gutes und sprich darüber!
Umso bedauerlicher, dass in der öffentlichen Diskussion die Private Equity- und Venture Capital-Branche nach wie vor mit Argwohn belegt und keine Gelegenheit ausgelassen wird, Fehler, Ausreißer, Missgeschicke und Verluste mit hämischen Kommentaren zu versehen, anstatt uns zuzugestehen, dass wir eben auch noch lernen. Vielmehr sollte einmal darüber berichtet werden, wie weit wir in unserem Lernprozess in den letzten Jahren dennoch bereits vorangekommen sind, denn nicht von ungefähr kommen inzwischen rund eine Million Arbeitsplätze im Umfeld von PE- und VC-finanzierten Unternehmen!
Allerdings unterstützen Wohlfahrtsstaat, Erhaltungssubventionen, großzügig verteilte Fördermittel und sonstige „Rundum-Sorglos-Leistungen“ bei uns eher das Streben nach Sicherheit denn nach unternehmerischer Freiheit und Verantwortung. Berufliche Selbstständigkeit wird von vielen Bürgerinnen und Bürgern daher nicht als Chance, sondern in erster Linie als Risiko gesehen sowie als Last empfunden.
Vor dem Hintergrund einer solchen Denkhaltung ist der Weg nicht weit, Gründer für ihren unternehmerischen Mut öffentlich sogar an den Pranger zu stellen: Natürlich war der alles auslösende Zwischenruf zu Christian Lindners schon 15 Jahre zurückliegender Start Up-Aktivität in der moomax GmbH zwar reiner Populismus im politischen Wettbewerb.
Allerdings kann die hier an Lindner gerichtete Äußerung durchaus als Paradebeispiel für das in der öffentlichen Meinung vorherrschende Misstrauen gegenüber unternehmerischem Engagement betrachtet werden. Insofern mag es auch nicht verwundern, dass sich die Videoaufzeichnung dieses Vorgangs im Landtag wie ein Lauffeuer in den sozialen Netzwerken auf Facebook und Co – gefolgt von mit Verdächtigungen versehenen Kommentierungen in der Presse – verbreitete und ein Millionenpublikum erreichte. Erstaunlicherweise war der hierdurch erzielte mediale Effekt sogar um einiges größer als die wenige Tage zuvor im Zusammenhang mit dem Dreikönigstreffen der FDP-Spitze verbreiteten Informationen über deren politisches Programm im Jahre 2015!
Warum also in aller Welt wird Unternehmertum in der deutschen Öffentlichkeit derart ablehnend behandelt sowie durch ein Verdrehen der Wahrheit nicht nur die betroffene Person selbst, sondern letztlich auch die gesamte VC-Branche mit all ihren kreativen und engagierten Gründern und Investoren durch den Kakao gezogen? Vielmehr muss man diesen Pionieren dankbar sein, dass sie bereit sind, für eine unternehmerische Idee oftmals alles in den Ring zu werfen und dabei auch ein Scheitern ihres Vorhabens bewusst in Kauf nehmen. Denn das ist ganz und gar nicht selten: aus VC-Erfahrung scheitert tatsächlich nahezu jedes zweite Vorhaben, d.h. der geplante Erfolg bleibt aus. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Höchst selten liegt es an einer nicht funktionierenden Technologie. Viel öfter ist es der Markt, der eine Innovation nicht bzw. noch nicht anzunehmen bereit ist, wie es z.B. auch bei Lindners moomax der Fall war.
„Alles zu seiner Zeit“ heißt es so schön. Interessanterweise sind nämlich die damals von moomax – und übrigens auch von diversen anderen Unternehmen – verfolgten Personalisierungsansätze für das Internet inzwischen völlig üblich geworden. In der Nachbetrachtung Operation somit geglückt, Patient allerdings tot. Ist damit aber das Geld, das seinerzeit in das gescheiterte Unternehmen investiert wurde, volkswirtschaftlich tatsächlich für die Tonne gewesen? Wohl ganz sicher nicht, denn genau ohne diese Lernkurven aus misslungenen Unternehmungen wäre unser technischer Fortschritt mit all seinen angenehmen Begleiterscheinungen, die uns Verbrauchern das Leben jeden Tag ein Stück angenehmer und komfortabler machen, längst nicht so schnell vorangekommen.
Womit wir wieder bei den drei Binsenweisheiten wären…
Zum Autor: Wolfgang Lubert ist Mitgründer und Vorstandsvorsitzender des Private Equity Forum NRW e.V. sowie Geschäftsführer der EnjoyVenture Management GmbH, einer auf Frühphasenfinanzierung spezialisierten Venture Capital Gesellschaft mit Standorten in Gelsenkirchen, Düsseldorf, Wuppertal und Hannover. Aktuell ist EnjoyVenture an 29 Unternehmen beteiligt, davon sieben in NRW. EnjoyVenture hatte seinerzeit auch das von Christian Lindner gegründete Start Up moomax GmbH finanziert, weshalb sich der Autor die Freiheit nahm, zu den in den Medien nach seiner Beurteilung teilweise unzutreffenden Darstellungen um den Fall selbst sowie um die Person Lindner Stellung zu beziehen.
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