Flugzeug tankt in der Luft auf

Anti-Angel-Gesetz: Business Angels und Start-ups müssen Chancen nutzen

Der Ärger seitens Gründer und Investoren über den neuen Entwurf eines „Anti-Angel-Gesetzes“ ist verständlich und nachvollziehbar. Sollte der Entwurf unabhängig von seiner letztendlichen Ausgestaltung zum Gesetz werden, liegen im Wandel auch Chancen.

Ein Kommentar aus einer etwas anderen Perspektive von Sven von Loh, SvL – Entrepreneurial Partners, und Dr. Peter WolffEnjoyVenture Management GmbH, auch erschienen in der WiWo Online am 11.8.2015.

Diskussionen zum Anti-Angel-Gesetz: Business Angels und Start-ups müssen auch die Chancen zur weiteren Professionalisierung nutzen!

Aktuell herrscht bei Start-ups und Business Angels großes Gejammer. Der Grund ist bekannt: Das Bundesfinanzministerium hat kürzlich einen Entwurf für ein Investmentsteuerreformgesetz veröffentlicht, das die Betroffenen als „Anti-Angel-Gesetz“ verstehen. Der Entwurf sieht nämlich vor, dass die so genannten Veräußerungsgewinne aus Streubesitzbeteiligungen künftig deutlich stärker besteuert werden sollen.

Das heißt: Geldgeber müssen bei einem Verkauf ihrer Anteile mehr Geld an den Staat abgeben.

Bislang gewährte der Gesetzgeber Business Angels, die ihre Veräußerungsprofite sofort wieder reinvestierten, eine Steuerermäßigung von circa 95 Prozent. Damit soll künftig Schluss sein, wenn das Parlament den Entwurf aus dem Bundesfinanzministerium für ein Investmentsteuerreformgesetz tatsächlich verabschiedet.
Aber jede Medaille hat bekanntlich zwei Seiten.

Die Kehrseite hier kommt in der aktuellen Diskussion ein Stück weit zu kurz.

Klar, es ist plausibel, dass sich Start-ups, Business Angels und ihre Verbände über diesen Gesetzentwurf aufregen. Schließlich bezieht jedes dritte Start-up Geld von Business Angels. Meist liegt deren Investment zwischen 10.000 und 500.000 Euro, und dies in einer Phase, in der das Investmentrisiko am größten ist.

Viele Gründer befürchten nun, dass Business Angels aufgrund der drohenden Steuernachteile deutlich schwieriger dafür zu gewinnen sein werden, sich an ihren Vorhaben zu beteiligen. Sie halten eine Steuerstundung für eine unverzichtbare Voraussetzung dafür, dass Business Angels in Start-ups investieren.

Tatsächlich nehmen die zunehmend professionell agierenden Business Angels seit einigen Jahren eine immer wichtigere Rolle ein auf dem Markt der Frühphasenfinanzierung. Ihre Bedeutung wird in den nächsten Jahren sogar noch weiter zunehmen.

Frühphasenfinanzierung: Deutschland hinkt hinterher

Unbegründet ist der Unmut der Start-ups und Kapitalgeber daher nicht. Zudem: Wer möchte schon mehr Steuern zahlen als bislang gewohnt? Wohl niemand. Daher ist es verständlich, dass auch die Kapitalgeber dem Entwurf für ein Investmentsteuerreformgesetz wenig Gegenliebe entgegenbringen – zumal Deutschland bei den steuerlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen für Venture Capital in Europa ohnehin schon den letzten Platz einnimmt.

Indes, ein Menetekel heraufzubeschwören, wie es aktuell viele – scheinbar im Copy-Paste-Modus – machen, ist zu früh und falsch. Warum? Gerade Start-ups sollten wissen, dass Veränderung zum Leben gehört und Voraussetzung für jede Form der Weiterentwicklung ist. Die Gründer selbst wollen durch innovative Geschäftsmodelle dafür sorgen, dass sich Märkte verändern, was wiederum den bereits etablierten Unternehmen nicht gefällt.

Ob man es mag oder nicht: Veränderungen und veränderte Rahmenbedingungen gibt es ständig. Es gilt, adäquat darauf zu reagieren und die Herausforderungen zu meistern.Durch Anpassungen und Reaktionen auf sich stetig wandelnde Umfeldbedingungen wird ein Geschäftsmodell, das gilt aber auch gleichermaßen für eine Investmentstrategie, iterativ immer weiter an einen Markt und Kundenanforderungen optimiert.

Professionalisierungsdruck nachgeben

Start-ups ist beispielsweise zu empfehlen, alle Stellschrauben im Geschäftsmodell, die ihren Erfolg im Funding verbessern, stetig zu optimieren. Verschärfte Bedingungen, Kapitalgeber zu finden, wirken sich nämlich eher auf die mittelmäßigen oder wenig erfolgversprechenden Start-ups negativ aus. Gute Projekte hingegen mit wirklicher Perspektive, Marktnähe und langfristig guten Entwicklungschancen finden immer ihr Funding. Kein Investor wird ein wirklich renditeversprechendes Projekt aus steuerlichen Gründen ausschlagen.

Business Angels hingegen ist zu raten, sich bei vielversprechenden Investments zu Finanzierungspartnerschaften zusammenzuschließen. Starke Netzwerke und vertrauensvolle Kooperationen erleichtern die Form von Zusammenschlüssen. Gemeinsam lassen sich Innovations- und Wachstumsfinanzierungen leichter realisieren, was einem einzelnen Business Angel allein kaum möglich ist und durch immer kürzere Innovationszyklen und damit verbundene zunehmende Kapitalbedarfe ohnehin immer schwieriger wird.

Bei Finanzierungspartnerschaften steht zudem nicht der schnelle Exit im Mittelpunkt, somit betrifft sie das neue Investmentsteuerreformgesetz, wenn es denn überhaupt in der Entwurfsform verabschiedet werden sollte, nicht so stark. Finanzierungspartnerschaften führen zu mehr langen Atem im einzelnen Projekt, das verbessert aber damit auch insgesamt das Chancen-/Risikopotenzial eines Frühphaseninvestments. Ein Risiko von hohen Ausfallraten und damit verbundene steuerliche Vorteile entwickeln sich zur Chance, insgesamt mehr erfolgreiche Projekte mit Rendite zu finanzieren.

Wagniskapital fördern

Natürlich wäre es besser, wenn der Gesetzesentwurf überdacht und ad acta gelegt würde. Start-ups sind schließlich nicht nur ein wichtiger Jobmotor der deutschen Wirtschaft, sie sind ein wesentlicher Innovationstreiber für unsere Gesellschaft. Alleine in den vergangenen zehn Jahren sind durch sie rund 100.000 neue Jobs entstanden. Venture Capital wirkt sich somit unmittelbar positiv auf die hiesige Volkswirtschaft aus.

Das Motto einer jeden Regierung sollte daher sein: Wagniskapital fördern, statt behindern. Der sicherste Weg dorthin ist es, Regeln zu reduzieren, besser noch: ganz abzuschaffen. Das würde mehr Business Angels motivieren, ihr Geld in Zukunftsvorhaben zu investieren.

Hoffnung macht, dass das Bundesfinanzministerium selbst seinen Entwurf eines Investmentsteuerreformgesetzes als Diskussionsentwurf bezeichnet. Business Angels, die mit ihren Investitionen warten, bis gesetzliche Klarheit herrscht, ist zu empfehlen, besser jetzt schon noch konsequenter viel mehr gemeinsam zu investieren, um sich mit ihrem Kapital an erfolgversprechende Vorhaben zu beteiligen.

Also einfach „Machen“, nicht auf Entwürfe schauen.

Darum einfach auch die andere Seite der Medaille betrachten. Die Diskussion ist eröffnet.

Bildcredit: PD-US

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