Bei der Haftung mal genauer hinschauen.

Aufsichtsräte in Private Equity finanzierten Unternehmen

Im Rahmen unserer Beiträge zu Fachthemen heute ein Input von Dr. Mirko Sickinger, der die Veröffentlichung dieses Inputs auf der letzten Veranstaltung des Private Equity Forums angekündigt hat. Hiermit also die Einlösung einer Zusage. Herzlichen Dank an die Zeitschrift BOARD für die Möglichkeit, diesen Artikel hier zu veröffentlichen.

Haftung, Schadensersatz und D&O-Versicherungen

Aufsichtsratsmitglieder in Private Equity finanzierten Unternehmen sehen sich bei ihren Entscheidungen einem erheblichen Haftungsrisiko ausgesetzt. Der folgende Beitrag zeigt Aufsichtsratsmitgliedern Handlungsmöglichkeiten zur Risikovermeidung auf und hilft, ihre Position in gerichtlichen Verfahren zu stärken. Des Weiteren werden Besonderheiten der D&O-Versicherung bei Aufsichtsräten in Private Equity-Gesellschaften angesprochen.

1. Risiken für Private Equity Manager im Aufsichtsrat

Private Equity finanzierte Unternehmen können besondere Risikolagen aufweisen, die nicht nur für den Vorstand, sondern auch für den Aufsichtsrat haftungsträchtig sind und zwar in besonderem Maße für Aufsichtsratsmitglieder die zugleich Beteiligungsmanager der Private Equity-lnvestoren sind. Diese besonderen Risikolagen bestehen nicht nur, wenn Private Equity aus Turn Around Fonds in Krisenunternehmen investiert wird, sondern schon aufgrund des hohen Fremdfinanzierungsanteils an der Gesamtfinanzierung auch bei operativ gesunden Unternehmen. Die Strategie, durch Zukäufe und sonstige strategische Weichenstellungen kurzfristig Wertsteigerungen zu erzielen, bedeutet ein zusätzliches Risikopotenzial All diese grundlegenden Entscheidungen bedürfen der Zustimmung des Aufsichtsrates und sind oft mit Bewertungsfragen verbunden, etwa zur Bewertung von Unternehmen bei Kapitalerhöhungen gegen Sacheinlagen bei Verschmelzungen und Unternehmenskäufen. Gerade bei Bewertungsfehlern ergeben sich aber schnell quantifizierbare Schäden als Gegenstand eines Ersatzanspruchs. Besondere Risiken für Private Equity Manager folgen zudem aus ihrem Sonderwissen, das sie im Rahmen ihrer Tätigkeit für den Private Equity-lnvestor erlangt haben, und das ihnen bei der Beurteilung ihrer Tätigkeit als Aufsichtsrat im Beteiligungsunternehmen entgegengehalten wird.

2. Risikoarme Entscheidung und Dokumentation

Im Ausgangspunkt ist entscheidend, dass der Aufsichtsrat bei der Erledigung seiner Aufgaben eine angemessene Entscheidungsgrundlage hat. Liegen ihm die nötigen Informationen nicht vor, so ist er im Rahmen seiner Aufgaben zur Informationsbeschaffung verpflichtet.
Diesen Grundsatz gebietet gemäß § 93 Abs. 1 S. 2 AktG schon die Business Judgement Rule, die nicht nur für die Geschäftsführung des Vorstands, sondern auch die überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats gilt. Demnach sind Entscheidungen sorgfältig vorzubereiten und an den Interessen des Unternehmens auszurichten. Im Kern wird zunächst verlangt, dass sich ein Aufsichtsratsmitglied angemessen informiert. Der Umfang der Informationspflicht hängt dabei von der Bedeutung und Komplexität der zu treffenden Entscheidung ab, den Vorkenntnissen der Aufsichtsratsmitglieder und der zur Informationsbeschaffung zur Verfügung stehenden Zeit. Inhaltlich hat das Gremium Informationen zu den tatsächlichen Umständen einzuholen und hinsichtlich der verschiedenen rechtlich zulässigen Handlungsoptionen. Verlangt wird nicht eine bestmögliche oder erschöpfende Informationsbeschaffung, sondern lediglich eine angemessene Information.

Nicht jeder zeitlich und finanziell mögliche Aufwand ist auch erforderlich. Vielmehr ist der Aufwand nach der konkreten Bedeutung der Entscheidung für das Unternehmen auszurichten. Der Aufsichtsrat wird sich dabei regelmäßig schon auf die durch den Vorstand zur Verfügung gestellten Informationen verlassen können, diese Informationen hat er grundsätzlich nur auf Plausibilität zu prüfen. Ergeben sich Zweifel an den zur Verfügung gestellten Informationen, ist das Geschäft besonders risikoreich oder befindet sich das Unternehmen etwa in einer Krisensituation, dann hat der Aufsichtsrat eigene Erkundigungen einzuholen.

Die Befolgung der Business Judgement Rule ist zugleich häufig der Kern von Haftungsstreitigkeiten. Nicht selten stellt sich die Frage, ob sich die Mitglieder des Aufsichtsrats ausreichend um eine angemessene Informationsgrundlage bemüht und hierauf ihre Entscheidung gegründet haben.2 Das Aufsichtsratsmitglied hat bei solchen Streitigkeiten zu beweisen, dass es über die erforderlichen Informationen verfügte (vgl. die Beweislastumkehr des§ 116 S. 1 i.V.m . § 93 Abs. 2 S. 2 AktG). Damit dem Aufsichtsratsmitglied eine Entlastung gelingen kann, ist eine sorgfältige und umfangreiche Dokumentation der Arbeit des Aufsichtsrats erforderlich. Die Entscheidung muss ,i3US den Sitzungsprotokollen ihren tragenden Gründen nach verständlich werden, ohne dass eine detaillierte Wiedergabe aller Einzelheiten erforderlich ist. Ratsam ist es auch, ausdrückliche Widersprüche eines Mitglieds in das Protokoll aufzunehmen.
Eine Entlastungsmöglichkeit besteht auch dann, wenn sich der Aufsichtsrat externen Rat eines Sachverständigen eingeholt und so seine Informationsbasis erweitert hat. Auch dann ist der Aufsichtsrat noch gehalten sich zu vergewissern, dass der Sachverständige dem Prüfungsauftrag gerecht geworden ist, keine Zweifel an der Sachkunde und Integrität des Sachverständigen bestehen und sich keine Bedenken gegen das zugrunde liegende Prüfungsverfahren oder den Bericht des Sachverständigen aufdrängen. Ergeben sich Zweifel oder Unklarheiten, ist der Aufsichtsrat auch nach der Einholung des Rats eines externen Sachverständigen noch zu eigenen Prüfungen angehalten.

3. Hinzuziehung externen Sachverstands

Das Recht des Aufsichtsrats externe Sachverständige hinzuzuziehen, ist in § 111 Abs. 2 S. 2 Alt. 2 AktG geregelt. Demnach kann das Kontrollgremium zur überwachung der Geschäftsführung nach § 111 Abs. 1 AktG Bücher und Schriften der Gesellschaft sowie deren Vermögensgegenstände gemäß § 111 Abs. 2 S. 1 AktG überprüfen. Im Rahmen dieser Tätigkeit kann der Aufsichtsrat bei konkreten Einzelangelegenheiten externe Sachverständige nach § 111 Abs. 2 S. 2 Alt. 2 AktG hinzuziehen. Zur Bestellung eines externen Sachverständigen bedarf es eines Beschlusses des gesamten Aufsichtsrats, ein einzelnes Mitglied oder der Vorsitzende können nicht von sich aus einen Sachverständigen beauftragen.

Auch über die gesetzlich normierten Fälle hinaus kann der Aufsichtsrat einen Sachverständigen hinzuziehen. Der Wortlaut des § 111 Abs. 2 S. 2 AktG steht dem nicht entgegen, vielmehr geht er auf eine mehr als 100-jährige Geschichte zurück, die den heutigen Anforderungen nicht mehr gerecht wird. Mittlerweile wird man annehmen dürfen, dass der Aufsichtsrat im Rahmen seiner Kompetenzen einen externen Sachverständigen auch allgemein hinzuziehen darf. Die Herleitung dieses Rechts ist in der Literatur zwar umstritten, im Kern jedoch anerkannt.

Die Hinzuziehung eines Sachverständigen darf jedoch nur der Informationsbeschaffung und Prüfung konkreter Einzelfragen dienen. Eine darüber hinausgehende generelle Bestellung eines Sachverständigen hat der Bundesgerichtshof bereits mit der „Hertie“-Entscheidung abgelehnt. 6 Die Tätigkeit eines Sachverständigen muss gegenständlich und zeitlich beschränkt bleiben.

Hat der Aufsichtsrat das Recht, externe Sachverständige zu bestellen, so schließt sich die Frage an, wann der Aufsichtsrat solche hinzuziehen sollte. Feste Kriterien lassen sich allerdings nicht aufstellen, vielmehr hängt die Beauftragung von Bedeutung und Komplexität der Entscheidung ab. So können Faktoren wie Schwierigkeit der konkreten Fragestellung, Wissensstand des Aufsichtsrats sowie die Größe, Unternehmensgegenstand und wirtschaftliche Lage des Unternehmens von Bedeutung sein.

Grundsätzlich sollte der Aufsichtsrat jedoch zurückhaltend von der Möglichkeit der Einschaltung eines Sachverständigen Gebrauch machen. In der Praxis scheint es regelmäßig angezeigt, bei Bedenken zunächst den Vorstand um eine Bestellung eines Sachverständigen zu bitten. Dies entspricht dem Grundsatz, dass der Vorstand die primäre Verantwortlichkeit für die Information des Aufsichtsrats trägU Abzuraten ist von einer Beauftragung auch, wenn der Aufsichtsrat entsprechend seiner eigenen Fähigkeiten, dem zeitlichen Aufwand und der Art der Tätigkeit die Aufgabe selbst erfüllen kann.8 Ist die Fragestellung jedoch komplex und sind die Risiken hoch, ist dem Aufsichtsrat auch vor dem Hintergrund seiner eigenen Haftung -zur Bestellung von externen Sachverständigen zu raten. Wird ein externer Sachverständiger beauftragt, so erfolgt die Bestellung des Sachverständigen durch den Aufsichtsrat im Namen der Gesellschaft. 9 Der Anspruch des Sachverständigen auf Vergütung richtet sich ebenfalls gegen die Gesellschaft.

 

Haftung - Private Equity Forum NRW e.V.

Bei der Haftung mal etwas genauer hinschauen.

4. Zugang zu Dokumenten im Falle des Ausscheidens

Es entspricht mittlerweile gefestigter Rechtsprechung, dass der Geschäftsführer einer GmbH und auch der Vorstand einer Aktiengesellschaft nach Beendigung der Amtszeit gemäß den §§ 675, 666, 667 BGB alle in seinen Besitz gelangten Unterlagen der Gesellschaft herauszugeben hat. Unabhängig von dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis überträgt der Bundesgerichtshof diese Grundsätze auch auf ausgeschiedene Aufsichtsratsmitgliedern Der Bundesgerichtshof geht in seiner Entscheidung davon aus, dass die Funktion des Aufsichtsrats zumindest einer Geschäftsbesorgung gleiche und hinsichtlich der Herausgabe von Gesellschaftsunterlagen eine vergleichbare Interessenlage bestehe. Die Pflicht zur Herausgabe erstreckt sich danach auch auf die sich im Besitz des ausscheidenden Mitglieds befindenden Abschriften von Aufsichtsratsprotokollen (§ 107 Abs. 2 S. 4 AktG).12 Die Protokolle werden dem Aufsichtsratsmitglied für die Zeit seiner Tätigkeit überlassen, ein weiteres Recht zum Besitz besteht nicht.

Das ausgeschiedene Aufsichtsratsmitglied kann die Herausgabe nicht verweigern, Das ausgeschiedene Mitglied kann sich auch nicht darauf stützen, dass eine abstrakte oder gar konkrete Möglichkeit besteht, für Fehler während der Amtszeit durch die Gesellschaft in Anspruch genommen zu werden.
Der ausscheidende Aufsichtsrat wird nach Ansicht des Bundesgerichtshofes vielmehr dadurch geschützt, dass ihm die Gesellschaft im Streitfall Einsicht in die maßgeblichen Unterlagen zu gewähren hat. Ein solches Recht zur Einsichtnahme in die Urkunden der Gesellschaft ergibt sich aus § 810 BGB.13 Führen die Gesellschaft und das ausgeschiedene Aufsichtsratsmitglied bereits ein gerichtliches Verfahren, so hat weiterhin das Gericht gemäß § 142 Abs. 1 ZPO die prozessuale Möglichkeit eine Urkundenverlegung anzuordnen. Verweigert die Gesellschaft die Vorlage der Urkunden, so hat das Gericht dies frei zu würdigen.

5. D&O-Versicherung für Private Equity Manager

Durch eine D&O-Versicherung kann das Haftungsrisiko der Organe einer Gesellschaft abgedeckt werden. Mittelbar kann sie dazu dienen, dem persönlich Haftenden die Angst vor Unternehmerischen Entscheidungen zu nehmen oder überhaupt die Motivation für die übernahme des risikoträchtigen Amtes zu schaffen. Letzteres gilt insbesondere für Private Equity Manager in den von ihnen betreuten Beteiligungsgesellschaften, da sie aufgrund der unter Ziff. I. aufgezeigten Gefährdungslage besonderen Risiken ausgesetzt sind. Insbesondere ihre fachlichen Qualifikationen und Erfahrungen aus der Private EquityBranche, ihre Vorkenntnis zu Risiken des Beteiligungsunternehmens aus einer von ihnen durchgeführten Due Diligence im Rahmen des Beteiligungserwerbs und auch Interessenkonflikte, denen sie bei ihrer Tätigkeit ausgesetzt sein können, unterscheiden ihre persönliche Risk Exposure von der anderer Organmitglieder.

Interessen des Private Equity-lnvestors an kurzfristigen Wertsteigerungen, der Zusammenlegung verschiedener Beteiligungsunternehmen oder der Realisierung des Investments durch kurzfristige Veräußerungen können den Interessen des Beteiligungsunternehmens entgegenstehen und damit das Votum eines Private Equity Managers im Aufsichtsrat dem Einwand aussetzen, es sei von sachwidrigen Interessen geleitet worden . Vor diesem Hintergrund kann es sich anbieten im Beteiligungsunternehmen mehrere D&O-Versicherungen für verschiedene Gruppen von handelnden Personen abzuschließen. Derartige Konzepte mit separaten Policen und separater Deckung für Vorstände und Aufsichtsräte sind ein bekanntes Konzept um im Fall der gleichzeitigen Inanspruchnahme von Vorstand und Aufsichtsrat die Interessenkollision zwischen beiden Organen auf der Ebene der Versicherungen abzubilden. Wegen der besonderen Kenntnisse und Interessenlagen der Private Equity Manager im Aufsichtsrat von Beteiligungsunternehmen könnte es sich anbieten auch für diese Gruppe der Aufsichtsratsmitglieder eine weitere D&O-Versicherung abzuschließen, die im Haftungsfall, auch vor Gericht, die Verteidigung allein dieser Aufsichtsratsmitglieder übernimmt.

tl;dr: Fazit

Private Equity Manager im Aufsichtsrat eines Beteiligungsunternehmens sind besonderen Haftungsrisiken ausgesetzt. Diese ergeben sich aus ihrem Sonderwissen und Interessenkonflikten zwischen dem Private Equity-lnvestor und dem Beteiligungsunternehmen.

Einer Haftung können Aufsichtsratsmitglieder nur entgehen, wenn sie insbesondere für eine angemessene Entscheidungsgrundlage sorgen, gegebenenfalls externen Sachverstand einholen und die Entscheidungstindung im gesamten Aufsichtsrat ausreichend dokumentiert wird. Für Private Equity Manager im Aufsichtsrat eines Beteiligungsunternehmens kann sich eine separate D&O-Versicherung anbieten.

(Bildcredits: CC BY-SA 3.0 Maik Meid)

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