Fleißige Bienen statt Heuschrecken 3/3
Last not least: Teil drei der Reihe über fleißige Bienen und Heuschrecken in der Finanzwelt.
Die Teile eins und zwei sind hier verlinkt.
Wachstum allein reicht nicht
Neben dem Verkauf eines Unternehmens stellt die Kapitalsuche das zweite wesentliche Motiv von Unternehmern dar, sich mit Private Equity zu beschäftigen. Dabei stellen sie fest: Es gibt sehr viel weniger Kapitalbeteiligungsgesellschaften, die etablierten Unternehmen Wachstumskapital zur Verfügung stellen, als solche, die Firmen ganz im Rahmen eines Buyouts zu kaufen.
Warum?
Kein Exit.
Viele Mittelständler wollen die Vorteile einer Wachstumsfinanzierung durch einen Investor nutzen, gleichzeitig ihr Unternehmen aber nicht verkaufen, sondern es noch viele Jahre weiterführen und eventuell an einen Nachfolger aus der Familie weitervererben. Private Equity Fonds hingegen möchten nach einer gewissen Zeit ihre Beteiligung verkaufen. Eine Minderheitsbeteiligung aber wird man nur schwer wieder los. Die Kernfrage lautet mithin, ob der Unternehmer bereit ist, seinen Anteil später zusammen mit dem des Finanzinvestors zu verkaufen. Um sicherzustellen, daß eine entsprechende Absicht auch nach Jahren noch gilt, wird üblicherweise eine Mitverkaufsverpflichtung vereinbart: Der Unternehmer verpflichtet sich, seine Anteile mitzuverkaufen, wenn der Private Equity-Investor verkaufen möchte. Einem Interessenten kann damit dann die Firma als Ganzes angeboten werden, was dem Fonds eine höhere Bewertung seiner Anteile bringt.
Kein Leverage.
Auch bei einer Wachstumsfinanzierung hebelt der Investor sein Eigenkapital nicht durch die Aufnahme von Fremdkapital. Eine Wertsteigerung durch die einfache Rückführung der Fremdfinanzierung (der Wert des Eigenkapitals steigt selbst bei unverändertem Wert des Unternehmens, weil weniger für die Tilgung der Finanzverbindlichkeiten abgezogen werden muss) entfällt. Aufgefangen wird das teilweise durch eine Rückführung der operativen Finanzierung; allerdings wird alleine schon durch die mit dem Umsatzwachstum verbundene, zusätzliche Mittelbindung im Umlaufvermögen in der Regel weiteres Fremdkapital benötigt.
Keine Rechte.
Wachstumsfinanzierungen sind in aller Regel Minderheitsbeteiligungen und der Unternehmer wird seine unternehmerische Freiheit möglichst wenig beschneiden lassen wollen. Mitentscheidungs- und Vetorechte müssen aber zum Schutz der Beteiligung vereinbart werden. Non-performance-Klauseln für den Fall, dass der Geschäftsplan deutlich und wiederholt verfehlt wird, sollen dem Finanzinvestor die Möglichkeit geben, auch gegen den Willen des Unternehmers „die Notbremse zu ziehen“. Das kann bis zum Austausch der Geschäftsführung, also auch des Unternehmers, gehen. Hier sind gegensätzliche Positionen programmiert.
Keine Zielgruppe.
Angesichts der oben bereits durchdeklinierten Investitionskriterien und der in diesem Abschnitt aufgezählten Aspekte ergibt sich, daß es gar nicht so viele Unternehmen und Unternehmer gibt, für die Private Equity und die für Private Equity in Frage kommen. Viele Unternehmen, die händeringend Eigenkapital benötigen, bringen nicht die Wachstumsraten, die wettbewerbliche Positionierung, die Alleinstellungsmerkmale mit, aufgrund derer sie die für eine Wachstumsfinanzierung erforderlichen Wertzuwächse erwarten lassen. Und bei den gut wachsenden Unternehmen, die diesen Kriterien entsprechen, zieht andererseits oft der Unternehmer die Fremdkapitalfinanzierung vor, weil er sich „nicht reinreden“ lassen möchte. Es bleiben die Unternehmer, die erkennen, daß Private Equity nicht nur die Bereitstellung von Kapital beinhaltet, sondern die komplette Ausrichtung des Unternehmens auf Wertsteigerung der Gesellschafteranteile zum Ziel hat. Und von dieser Wertsteigerung profitiert der Unternehmer, wenn der positive Beitrag des Investors größer ist als der negative Beitrag durch die Verwässerung der Anteile.
Keine Returns.
Unternehmen, die Wachstumskapital benötigen, haben häufig einen ungenügenden operativen Cash Flow. Argwöhnisch formuliert würden die meisten Unternehmen immer das „billigere“ Fremdkapital nehmen, wenn sie es denn bekämen. Sie bekommen es aber unter Umständen nicht, weil ihre Ertragskraft noch nicht groß genug ist. Da sie aber wachsen, erwarten die Unternehmer eine Bewertung, die stärker auf die künftige Ertragskraft abstellt. Das Risiko einer zu hohen Einstiegsbewertung ist damit latent gegeben – und damit die Gefahr, beim Exit keine ausreichende Bewertung zu erreichen.
Hohes Risiko.
Eng mit der Bewertung verbunden ergeben sich aus dem raschen Wachstum häufig auch größere Risiken. Interne Prozesse sind noch nicht perfektioniert, Systeme noch nicht eingeführt. Akquisitionen können sich als Fehlschlag herausstellen, die „Post-merger-integration“ hat nicht geklappt. Die erwarteten künftigen Cash Flows bleiben aus.
Hoher Aufwand für wenig Kapitaleinsatz.
In den Jahren 2005 bis 2007 haben etliche etablierte Private Equity Fonds so viel Kapital eingesammelt, daß es angesichts der Grenzen beim eigenen Personal und bei der zur Verfügung stehenden Zeit (die Investitionsperiode eines Fonds läuft häufig über 5 Jahre) einen gewissen Zwang gibt, sich auf größere Transaktionen zu konzentrieren und signifikante Beträge zu investieren. Wachstumsfinanzierungen verlangen annähernd soviel Prüfungsaufwand wie Unternehmenskäufe und sind von der Steuerung (Minderheitsbeteiligung!) nicht selten anspruchsvoller.
Ein neues Feld: Refinanzierung und Bilanzstrukturmanagement
Ein Finanzierungs- wie auch Eigenkapitalbedarf kann auch aus der Struktur der Passivseite der Bilanz her erwachsen, ohne daß das Unternehmen aufgrund von Umsatzwachstum einen operativen Finanzierungsbedarf hätte. Aktuell sind hier das in den nächsten Jahren bevorstehende Auslaufen der verschiedenen Mezzanineprogramme wie PREPS, H.E.A.T., ge│mit oder equiNotes zu nennen. Gut 700 Unternehmen haben zwischen 2004 und 2007 insgesamt rd. 4,4 Milliarden Euro an platziertem Mezzanine-Kapital erhalten. Ab 2011 sind diese Mittel zurückzuzahlen. Sollte das angesichts der gesamtwirtschaftlichen Lage nicht aus dem operativen Cash Flow heraus möglich sein oder keine Refinanzierung durch Bankdarlehen vorgenommen werden können, sind offene Beteiligungen über durch Kapitalbeteiligungsgesellschaften gezeichnete Kapitalerhöhungen oft die einzige Alternative. Offensichtlich bietet sich hier für Private Equity-Fonds ein Markt.
Da es sich hier in der Regel um Minderheitsbeteiligungen handeln wird, legen die Investment Manager die oben genannten, zusätzlichen Kriterien bei der Prüfung eines möglichen Investments an.
Der Sonderfall: Restrukturierung
Turnaround-, Restrukturierungs- oder Special Situations-Fonds unterscheiden sich hinsichtlich ihres Fokus’ und des Grades ihres operativen Mitwirkens von den klassischen Private Equity-Fonds. Die für sie in Frage kommenden Unternehmen benötigen häufig kurzfristig Liquidität oder Unterstützung aufgrund einer sich verschlechternden, bereits jetzt unzureichenden Ertragssituation. Statt Wachstum muss die Stabilisierung finanziert werden, um notwendige Umstrukturierungen, Kostenanpassungen oder Neuausrichtungen umsetzen zu können.
Die Investment Manager werden in aller Regel eine Mehrheitsbeteiligung verlangen, häufig mehr als 75 Prozent der Anteile erwerben wollen, um rasch Maßnahmen durchsetzen zu können. Geld fließt meist nicht an den Altgesellschafter – dieser erhält wenn überhaupt eher einen symbolischen Kaufpreis – sondern in das Unternehmen. Die Investoren bringen oft neben Restrukturierungserfahrungen auch operative Kenntnisse mit und arbeiten nicht selten „hands-on“ zusammen mit dem Management an der Neuausrichtung der Gesellschaft.
Zu den Kriterien, die rasch abgeprüft werden, gehören:
- Wie viel Kapital ist kurzfristig notwendig?
- Ist der operative Kern des Unternehmens gesund und kann dieser durch Schließen oder Verkaufen von Randaktivitäten nicht nur gehalten, sondern mittelfristig wieder wachsend ausgebaut werden?
- Wieviel Liquidität lässt sich generieren durch Vergleiche mit Lieferanten und Banken, durch Zugeständnisse seitens der Mitarbeiter oder durch Personalkürzungen. Gibt es nicht betriebsnotwendige Vermögensgegenstände, die veräußert werden können?
- Wie verläßlich ist das Finanz- und Rechnungswesen? Erlaubt die Datenlage die kurzfristige Ableitung belastbarer Aussagen. Grundsätzlich sind diese Investoren in der Lage und willens, neue Reportingstrukturen einzuziehen.
An welcher Stelle braucht die Firma eine andere Führungsmannschaft? Die Bereitschaft – und Notwendigkeit – Manager auszutauschen, ist sicherlich höher ausgeprägt als bei Wachstumsinvestoren.
Die Schwarze Liste
Es gibt ein paar Fettnäpfchen, ein paar Fehler, der ein Unternehmer tunlichst vermeiden sollte, wenn er einen Private-Equity-Investor anspricht und die Wahrscheinlichkeit erhöhen will, dass dies zum Erfolg führt:
- Wenig überzeugende mündliche als auch schriftliche Präsentation des Unternehmens, insbesondere keine fundierte Darstellung des Managements, des Geschäftsmodells, der Markteintrittsbarrieren, der Wachstumstreiber und Erfolgsfaktoren, der Profitabilität des Unternehmens (Gründe, Quellen), des Cash Flows
- Überzogene Darstellung des Wachstumspotentials
- Späte oder keine Information hinsichtlich der Problembereiche oder Risiken des Unternehmens
- Schaffung einer nicht vorhandenen Wettbewerbssituation zwischen potentiellen Interessenten
- Unrealistische Bewertungsvorstellungen
- Dem Investor vorzurechnen, welche Rendite er mit dem Investment in das Unternehmen erzielen würde
- Restriktives Informationsverhalten.
Frage: Bei allen hier anhand unterschiedlicher Finanzierungssituationen durchdeklinierter Kriterien und No Gos – bleiben da überhaupt noch genug Unternehmen übrig, daß man in Deutschland von einem gut entwickelten, ausreichend großen Markt sprechen kann – und damit auch Kapitalbeteiligungsgesellschaft einen Existenzberechtigung haben?
Antwort: Allerdings.
(Beitragsbild: CC BY-SA 3.0 Maik Meid via fundraisingnetz.de)
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