Papierindustrie in der Corona-Krise
Nicht aus Pappe
Im Jahr 2020 ist Deutschlands Wirtschaftsleistung um 5 % eingebrochen. Eines steht fest: Die Corona-Krise verändert die verschiedenen Wirtschaftszweige nachhaltig. Von diesen Auswirkungen der Pandemie ist auch die Papierindustrie betroffen – allerdings nicht nur nachteilig.
Die deutsche Papierindustrie ist hinter China, den USA und Japan die viertgrößte weltweit. Während Deutschland als europäischer Spitzenreiter im Jahr 2019 noch circa 20,4 Millionen Tonnen Papier, Karton und Pappe produzierte, waren es im Jahr 2020 nur noch 19,6 Millionen Tonnen. Die Produktion schrumpfte um 3,7 %.
Die Papierindustrie unterscheidet im Wesentlichen drei Papierarten:
- Graphische Papiere (Zeitungen)
- Hygienepapiere
- Braunes Papier (Pappe, Karton)
Digitales Angebot überholt Print-Medien
Für den Rückgang der Papierproduktion waren insbesondere die grafischen Papiere verantwortlich: Im Vergleich zu 2019 verringerte sich die Produktion um 15,1 %. Während 2019 noch circa 6,6 Millionen Tonnen grafischer Papiere produziert wurden, waren es 2020 nur noch 5,6 Millionen Tonnen.
Bereits vor der Corona-Krise gingen die Verkaufszahlen der Zeitungs- und Zeitschriftenpapiere zurück. Die wenigsten Konsumenten erwerben noch gedruckte Exemplare, seitdem es fast überall mobilitätsfreundlich möglich ist, Zeitungen digital auf dem Tablet oder Smartphone zu lesen. Nicht zuletzt durch das von vielen Arbeitgebern empfohlene/angebotene Homeoffice lernt die Gesellschaft, Texte digital zu lesen und zu erfassen.
Hygiene erhält neuen Stellenwert
Eine gegenteilige Entwicklung zeigt sich bei der zweiten Sparte, den Hygienepapieren. Hier stieg die Produktion um 1,6 % im Vergleich zum Vorjahr. 2020 produzierten deutsche Fabriken etwa 1,4 Millionen Tonnen Hygienepapiere, während es 2019 nur 1,378 Millionen Tonnen waren.
Die meisten werden aus den Medien den „Kaufrausch“ nach Toilettenpapier mitbekommen haben. Dieser ist jedoch nicht allein maßgeblich für die steigenden Zahlen. Vielmehr rechnen Experten mit einem langfristigen Aufschwung der Branche. Durch das hochansteckende Corona-Virus, das uns nun schon über ein Jahr vor immer neue Herausforderungen stellt, hat Hygiene in der Gesellschaft einen ganz neuen Stellenwert erhalten. Die „Tissue-Papiere“, wie sie auch genannt werden, begleiten uns nun vielerorts. Während sich Desinfektionstücher oder ein Desinfektionsmittelspender mit Papierhandtüchern nahezu in jedem Supermarkt im Eingangsbereich befinden, haben viele zudem ihre eigene „Hygienestation“ in der Mittelkonsole ihres Autos eingerichtet. Die Nachfrage nach dem saugfähigen, feingekreppten, mehrlagigen Hygienepapier steigt also. Auch, wenn die Inzidenzraten wieder sinken, ist damit zu rechnen, dass die Gesellschaft die Pandemie nicht so schnell vergisst und Hygiene langfristig eine größere Bedeutung bekommt als vor dem Jahr 2020.
Konsumverhalten – Wozu aus dem Haus?
Bereits vor der Pandemie war zu beobachten, dass viele die Innenstädte meiden und es präferieren, von zu Hause aus Kleidung, Möbel, Elektronik oder weitere Wunschartikel zu bestellen. Der Online-Markt zeigte schon vor der Corona-Krise ein stetiges Wachstum und explodiert nun nahezu. Durch die Schließung der Einzelhandelsgeschäfte und die Kontaktbeschränkungen nutzen viele die Möglichkeit, online zu shoppen. Nun sind auch diejenigen, die vorher noch den Bummel durch die Innenstadt bevorzugt haben, gezwungen, auf den Onlinemarkt zurückzugreifen. Ob diese sich nach der Pandemie wieder umstellen oder beim bequemen Online-Shopping bleiben? Das Konsumverhalten der Gesellschaft wird sich nachhaltig verändern.
Und wo liegt der Unterschied zwischen im Laden gekauften Produkten und versendeten? Letztere sind in Pappe eingepackt. Hierbei handelt es sich um die dritte Variante „braunes Papier“. Die Zahl der Paketsendungen stieg im Jahr 2020 in Deutschland um 3,6 Millionen im Vergleich zum Vorjahr. Wie sich das auf die Papierindustrie auswirkt, ist klar: Sie boomt. Im Vergleich zum Jahr 2019 stieg die Produktion in 2020 um 2,1 %. In Zahlen ausgedrückt bedeutet dies im Jahr 2019 eine Produktion von 11,2 Millionen Tonnen und 2020 von 11,4 Millionen Tonnen Pappe und Karton zu Verpackungszwecken.
Letztlich ist die Papierindustrie also einer der Wirtschaftszweige, der durch die Corona-Krise nicht nur nachteilig betroffen ist, sondern durchaus auch Wachstum verzeichnet.
Dieser Artikel aus der Reihe „Schlaglicht Private Equity“ erschien in Kooperation mit dem VentureCapital Magazin. Lesen Sie diesen Artikel in der kostenlosen ePaper Ausgabe.
Autorin und Autor
Dr. Martin Hüttermann ist stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Private Equity Forums NRW und geschäftsführender Partner der Breidenbach & Partner PartG mbH
Theresa Krämer, LL. M. ist Rechtsanwältin der Breidenbach Rechtsanwälte GmbH